Im Jahr 1965 wurde das ehemalige Salzbergwerk Asse II als "Versuchs-Endlager" eingerichtet. 2007 wurde bekannt, daß bereits seit 1988 Wasser in die Stollen von Asse II eindringt. Neun Jahre lang wurde die Tatsache von Seiten des Betreibers geleugnet. Der Zufluß hat sich auf insgesamt zwölfeinhalb Kubikmeter pro Tag ausgeweitete. Zudem stellte sich heraus, daß radioaktiver Atommüll skrupellos auch in undichten und korrodierten Fässer eingelagert wurde. Hinzu kamen flüssige Abfälle, Rückstände von Pestiziden, Tierkadaver und giftige Schwermetalle - darunter mehrere Tonnen Blei sowie hochgiftiges Quecksilber und Arsen. Auch das ultragefährliche Plutonium wurde in erheblichen Mengen in Asse II eingelagert. Im Jahr 2008 mußte der seit 2005 amtierende Atom-Minister Sigmar Gabriel eingestehen, daß Asse II die "problematischste Nuklearanlage in ganz Europa" ist. Doch erst 2010 versprach er die Bergung des Atommülls. Und zehn weitere Jahre verstrichen, bis die zuständige Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) am 27. März 2020 ein 146-seitiges Konzept für die Bergung vorlegte. Doch die Bergung des Atommülls wird weiterhin mutwillig verzögert. Nun gab der zuständige staatliche Betreiber BGE bekannt, daß sich "seit ein paar Monaten" der Salzwasserzufluß in Asse II verändert. Die Gefahr, daß das Atommüll-Lager absäuft, wächst.
Schon vor 1965 waren die beiden benachbarten Schächte Asse I und Asse III abgesoffen. Und von dem weniger als zehn Kilometer entfernten Salzbergwerk Hedwigsburg war nach einem Wassereinbruch nur noch ein wassergefüllter Krater übrig geblieben.
Gestern, 17.05.24, titelte das ehemalige Nachrichten-Magazin 'der spiegel': "Asse säuft ab". Hierbei mag der sprichwörtliche "Vater des Gedankens" dem Wunsch der Atomlobby entsprochen haben. Schon Mitte 2019 kam es zu voreiligen Panik-Meldungen (Siehe unseren Artikel v. 3.06.19). Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) schockte die Öffentlichkeit mit Katastrophen-Rhetorik und meldet "Rekordmengen" Wasser, die in das "Versuchs-Endlager" laufen. Der Norddeutsche Rundfunk verbreitet daraufhin die Panik-Nachricht "Die Asse läuft voll!". Schon 2019 lag die Befürchtung nahe, daß dies lediglich dem Zweck dienen sollte, die versprochene Bergung des Atommülls abzublasen.
Nach offizieller Planung soll die Bergung des Atommülls aus Asse II erst im Jahr 2033 beginnen. Allein die Kosten für die Vorbereitung der Rückholung sollen bei 4,5 Milliarden Euro liegen. Im Jahr 2019 war offiziell noch von veranschlagten Kosten in Höhe von 2,5 Milliarden Euro für die gesamte Bergung die Rede. Je länger die Bergung verzögert wird, desto mehr läßt sich daran verdienen.
Und so darf es nicht verwundern, wenn immer häufiger Kräfte auf den Plan treten, die für weitere Verzögerungen sorgen und so die "billige Variante" näher und näher rücken lassen. Es ist auch nicht auszuschließen, daß eines Tages verkündet wird, die Bergung sei "nicht machbar". Möglicherweise dienen auch die aktuellen Katastrophen-Meldung exakt diesem Zweck. Die "billigere Variante" bestünde darin, Asse II mit einer Magnesiumchlorid-Lösung zu fluten. Schon im Jahr 2008 hatten sich beflissene WissenschaftlerInnen zu Wort gemeldet, die dies als angebliche Lösung des Problems propagierten. Eine Verfüllung mit Magnesiumchlorid-Lösung könnte die unterirdische Ausbreitung der Radioaktivität allenfalls zeitlich verzögern, aber nicht aufhalten. Die Katastrophe wäre dann nicht mehr zu verhindern und die radioaktive Kontaminierung des Grundwasser nur noch eine Frage der Zeit. Unabhängige WissenschaftlerInnen rieten daher schon vor 16 Jahren, den Atommüll so schnell wie möglich aus den Stollen zu bergen und an die Erdoberfläche zu holen.
Laut BGE wurden die täglich zufließenden 12 bis 13 Kubikmeter in den vergangenen Jahren überwiegend in 658 Metern Tiefe in der sogenannten Hauptauffangstelle gesammelt, nach radiologischer Freigabe nach oben gebracht und abtransportiert. Doch "seit ein paar Monaten" verändere sich der Salzwasserzufluß in Asse II. An der Hauptauffangstelle sei ein Rückgang der zufließenden Menge zu verzeichnen, während dieser zeitversetzt an mehreren Stellen unterhalb von 658 Metern zunehme.
Ein "deutlicher Anstieg" des Salzwasserzuflusses ist laut BGE weiter unten im Bergwerk auf der 725-Meter-Ebene festzustellen. Demnach stieg dort der Zufluß von rund 0,8 Kubikmeter pro Tag auf aktuell rund drei Kubikmeter pro Tag. Auch auf der 725-Meter-Ebene handelt es sich um Salzwasser, das die eingelagerten Fässer auf der 750-Meter-Ebene nicht erreicht und nicht kontaminiert sei. Die Beobachtungsintervalle würden hier zur Sicherheit aber verkürzt.
Aktuell versuchten laut BGE nun MitarbeiterInnen, mögliche "Schadstellen" ausfindig zu machen und zu reparieren. Eine Flutung des Bergwerks, die das Ende aller Rückholpläne bedeuten würde, will die BGE nach eigener Aussage nur dann umsetzen, "wenn der Lösungszutritt so stark zunimmt, dass er technisch nicht mehr beherrschbar ist".
Die Anti-Atom-Organisation '.ausgestrahlt' kritisiert, die BGE habe das "marode" Atommüll-Lager im Salzstock nicht im Griff. "Statt eine absichtliche Flutung des Bergwerks vorzubereiten, muß die BGE mit aller Kraft an der Bergung des dort abgekippten Strahlenmülls arbeiten. Alles andere hätte unkalkulierbare Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt der ganzen Region," sagte Helge Bauer von '.ausgestrahlt'.
Die Situation in der Asse II zeige darüber hinaus, daß es kaum möglich sei, Vorgänge in mehreren hundert Meter Tiefe vorherzusagen. Dies sollte - so '.ausgestrahlt' - auch für die aktuell laufende "Endlager"-Standortsuche als auch für andere Atommüll-Projekte wie Schacht Konrad eine Warnung sein. Anders als im Falle von Asse II ist in Schacht Konrad bisher noch kein Atommüll eingelagert. "Aus der Asse lernen heißt, das Atommüll-Projekt Schacht Konrad endlich zu stoppen – bevor dort in wenigen Jahrzehnten die nächste Katastrophe droht," so Helge Bauer.
Bereits im Jahr 2011 sagte die damalige Bürgermeisterin der Samtgemeinde Asse, Regina Bollmeier: "Ich bin zutiefst frustriert, daß es immer wieder zu Verzögerungen kommt und es nicht vorangeht." Im Jahr 2019 verabschiedete sich Bollmeier nach 45 Arbeitsjahren in den Ruhestand. Sie hatte sich stets für eine Bergung des Atommülls aus Asse II eingesetzt und kritisierte auch 2019 den "Stillstand" bei Asse II.