Am 15. April wurden die drei deutschen Atomkraftwerke Emsland, Neckarwestheim und Isar abgeschaltet. Ob sie tatsächlich stillgelegt werden, zeigt sich jedoch erst im Laufe der kommenden zwölf Monate. Aufgrund der Fakten erscheint die Hoffnung auf einen deutschen Atomausstieg derzeit als reichlich gutgläubig.
Deutschland ist auch nach dem 15. April immer noch im Atomgeschäft: So hält etwa der verstaatlichte deutsche Energie-Konzern Uniper (vormals: E.on) an der Beteiligung an drei schwedischen Atomkraftwerken fest (Siehe hierzu unseren Artikel v. 17.02.2023). Und um den Ausbau der Wasserstoff-Produktion aus erneuerbaren Energien zu hintertreiben, vereinbarte die deutsche Bundesregierung mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, daß künftig mit Hilfe von AKW-Strom produzierter Wasserstoff nach Deutschland exportiert werden darf (Siehe hierzu unseren Artikel v. 10.03.2023). Dieser wird in Frankreich massiv subventioniert.
Nach wie vor verfügen die UAA Gronau und die Brennelemente-Fabrik Lingen über unbefristete Betriebsgenehmigungen. Ein im Jahr 2018 angekündigtes Gesetz, mit dem wenigstens der Export von Brennelementen aus Lingen an grenznahe französische und Schweizer Atomkraftwerke hätte verboten werden können, verschwand in der Schublade (Siehe hierzu unseren Artikel v. 12.01.2021).
Ein weiteres Indiz, daß die Spitzen der deutschen Bundesregierung - gleichgültig welcher parteipolitischen Couleur - an der Atomenergie festhalten, ist ihre Haltung zum 10-Microsievert-Konzept. Entgegen wissenschaftlichen Erkenntnissen wird so die Verbreitung von Radioaktivität in der Umwelt der Weg bereitet. Dies spiegelt sich zudem in der Haltung der Bundesregierung zu DU-Munition. Bemerkenswert ist die Äußerung des deutschen Wirtschafts-Ministers Robert Habeck gegenüber der Tageszeitung 'Welt' in einem Interview am 6.04.23 nach einem Treffen mit dem ukrainischen Energieminister Herman Haluschschtenko: "Die Ukraine wird an der Atomkraft festhalten. Das ist völlig klar – und das ist auch in Ordnung, solange die Dinger sicher laufen. Sie sind ja gebaut." (Siehe hierzu unseren Artikel v. 17.04.2023)
Mehr Gewicht als die Parteien-Politik hat allerdings die Ausrichtung zahlreicher großer Firmen an der Atompolitik. Diese erwirtschaften weiter Profite mit dem Bau, dem Betrieb und der Wartung von Atomkraftwerken:
Der weltweit tätige Bau-Konzern Bilfinger mit Sitz in Mannheim ist beteiligt am französischen AKW-Neubauprojekt Flamanville-3. Siemens Energy liefert Technik für zahlreiche AKW-Neubauprojekte weltweit, unter anderem für das türkische AKW-Projekt Akkuyu und Paks-II in Ungarn – in enger Kooperation mit dem russischen Atomriesen Rosatom. Und Rosatom wird ohne Widerspruch der deutschen Bundesregierung bei der Brennelemente-Fabrik Lingen in Niedersachsen einsteigen.
Eine Karte der Anti-Atom-Organisation '.ausgestrahlt' zeigt über ein Dutzend deutsche Unternehmen - Kraftanlagen Heidelberg, RSB Logistic, Siempelkamp, TÜV Nord,... , die weiterhin im internationalen Geschäft mit dem Atom-Risiko Profite machen. Atomausstieg sieht anders aus.
Derweil wird auf der Berliner politischen Bühne eine Schmieren-Kommödie aufgeführt, um in verteilten Rollen die jeweilige WählerInnen-Klientel in die Irre zu führen. So zeterte Frank Schäffler von der "gelben" Partei medienwirksam, die drei abgeschalteten Atomkraftwerke würden "mit Säure zerstört". Und die sogenannte Bundesumweltministerin Steffi Lemke bestätigte sogleich die "rasche AKW-Zerstörung". Doch Fakt ist zum einen, daß die von den AKW-Betreibern initiierte Dekontamination mit Säure eine gängige Praxis und Teil der Betriebsgenehmigung ist. Und Fakt ist zum anderen, daß in deutschen AKW nach einer Abschaltung zum Zwecke der Revision durchaus gelegentlich der Primär-Kreislauf mit Säure ausgespült wurde - und diese AKW hernach wieder problemlos hochgefahren wurden. Wann die völlig unspektakuläre Reinigung in den drei fraglichen Atomkraftwerken durchgeführt wird, ist zudem noch völlig offen. So plant etwa PreussenElektra, der Betreiber des AKW Isar, die Primär-Kreislauf-Dekontamination für einen Zeitpunkt Anfang 2024.
Ob die am 15. April abgeschalteten Atomkraftwerke tatsächlich stillgelegt werden, oder ob es zu einer weiteren AKW-Laufzeitverlängerung kommen wird, wissen wir möglicherweise erst im April 2024.