In den ersten vier Wochen nach der Abschaltung der drei Atomkraftwerke Emsland, Neckarwestheim und Isar wurde der Strom an der Börse billiger. Wer nun aber behauptete, diese zeitliche Koinzidenz beweise einen ursächlichen Zusammenhang, betrieb Propaganda. Doch auch wenn der lautstarke Pro-Kernenergie-Verein 'Nuklearia' behauptet, bei einem Weiterbetrieb der drei AKW wäre der Strom noch billiger geworden, ist dies Propaganda. Ausgeblendet bleibt dabei der tatsächliche Preis von Atomstrom.
Laut Bundesnetzagentur sind die Auswirkungen der Abschaltung der drei Atomkraftwerke Emsland, Neckarwestheim und Isar am 15. April 2023 extrem gering. Das Fehlen der Atomstrom-Produktion von rund 80 Megawattstunden pro Tag - rund 5 Prozent des deutschen Stromverbrauchs - wird durch reichlich vorhandene Überkapazitäten im deutschen Kraftwerkspark problemlos aufgefangen. Rund zwei Drittel der weggefallenen Stromproduktion können zudem bis Ende des Jahres durch den Zubau bei den erneuerbaren Energien ersetzt werden - falls das derzeitig stark gebremste Wachstum nicht noch mehr gedeckelt wird.
Daß die Strompreise an der Börse seit Mitte April gesunken sind, ist wenig überraschend: Nach dem Ende des Winters ist Strom in Europa immer billiger, weil mehr Wasserkraft zur Verfügung steht und die vielen Stromheizungen in Frankreich nach und nach weniger Kraftwerks-Leistung beanspruchen.
Tatsächlich liegt der Preis für Atomstrom an der Leipziger Strombörse bei rund 5 Cent pro Kilowattstunde und damit deutlich unter dem dort derzeit gehandelten Durchschnittspreis von rund 15 Cent pro Kilowattstunde. EndkundInnen bezahlen derzeit bei Neuverträgen hingegen rund 34 Cent pro Kilowattstunde.
Der Strompreis an der Börse wird nach dem "Merit-Order-Prinzip" festgelegt: Demnach bestimmt das zum jeweiligen Zeitpunkt gerade noch benötigte teuerste Kraftwerk den Preis - und dies sind in der Regel die konventionellen Gas-Kraftwerke. Dieses System soll langfristig einen Anreiz bieten, in solche Anlagen zu investieren, die den Strom am günstigsten produzieren. Sind dann nach und nach mehr preisgünstige Anbieter am Markt, verdrängen diese das jeweils noch benötigte teuerste Kraftwerk von heute. In der Vergangenheit haben davon oft gerade die sogenannten energie-intensiven Industrien profitiert, die andererseits überhaupt nicht für den Ausbau der Erneuerbaren zur Kasse gebeten wurden.
Entsprechend diesem Preis-Mechanismus hätten die - an der Börse! - preisgünstigen drei AKW also durch Strom aus teuren Gaskraftwerken ersetzt werden müssen. In der Folge wäre also der Strompreis an der Börse gestiegen.
Der Pro-Kernenergie-Verein 'Nuklearia' behauptet nun, bei einem Weiterbetrieb der drei AKW wäre der Strompreis noch stärker gesunken. Dies ist ebenso reine Propaganda. Denn der Preis an der Leipziger Strombörse ist nicht der tatsächliche Preis. Anders als die Zahlen an der Leipziger Strombörse es erscheinen lassen, ist und war Atomstrom die teuerste Stromerzeugung aller Zeiten. Ein beträchtlicher Teil des Preises wurde allerdings nicht per Stromrechnung bezahlt, sondern indirekt über die Steuern. Ohne staatliche Subventionierung wären Atomkraftwerke nirgendwo auf der Welt konkurrenzfähig. So mußten die Betreiber der deutschen Atomkraftwerke lediglich völlig unzureichende Haftpflichtversicherungen abschließen. Jede Windenergie- und Solaranlage muß dagegen voll haftpflichtversichert sein. Ohne diese staatlichen Subventionen würde Atomstrom mehr als zwei Euro pro Kilowattstunde kosten. Dies ergab eine Berechnung der Schweizer Prognos AG im Jahr 1992, die vom damaligen deutschen Bundeswirtschaftsminister in Auftrag gegeben worden war.
Nun dürfen wir uns allerdings nicht etwa der Illusion hingeben, mit einem Atomausstieg würden die Steuern sinken. Denn die Milliarden Euro, die für die Subventionierung von Atomstrom verpulvert wurden, sind längst für eine enorme Steigerung der Militärausgaben verplant.