Rund 20 VertreterInnen mehrerer Anti-Atom-Initiativen aus NRW und des Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) haben sich am Samstag, 25. März, in Jülich zur NRW-Landeskonferenz gegen Atomanlagen getroffen. Bei der Konferenz wurden Informationen über die Atom-Anlagen in NRW und ihre Problematik ausgetauscht. Außerdem wurden weitere Aktionen geplant. Eingeladen hatten das Jülicher Aktionsbündnis 'Stop Westcastor' und die Bürgerinitiative 'Kein Atommüll in Ahaus'.
Konkret drohen Atommüll-Transporte von Jülich nach Ahaus im westfälischen Münsterland. Die Initiativen lehnen jegliche Atommülltransporte ab, solange es kein sogenanntes Endlager gibt. Das Verschieben von Atommüll von "Zwischen"-Lager zu "Zwischen"-Lager löst das Entsorgungsproblem nicht – so auch nicht die Verschiebung des Jülicher Atommülls in das "Zwischen"-Lager Ahaus. Auch die Stadt Ahaus lehnt diese Transporte ab. Das dortige Atommüll-Lager hat eine Betriebsgenehmigung bis 2036 und verfügt über keine "Heiße Zelle". In einer "Heißen Zelle" könnten Reparaturen von defekten CASTOR-Behältern durchgeführt werden. Würden die Jülicher CASTOR-Behälter nach Ahaus ins "Zwischen"-Lager gebracht, könnten sie bei einem Defekt dort nicht repariert werden. Sie müssten dann zurück nach Jülich, um in der dort vorhandenen "Heißen Zelle" repariert zu werden. Derartige CASTOR-Transporte sind eine Gefahr für die Bevölkerung an den Transportwegen.
Die auf der Landeskonferenz vertretenen Initiativen waren sich einig, daß es hingegen sinnvoll ist, den Atommüll aus dem Versuchsreaktor AVR in Jülich zu belassen, bis ein "Endlager" zur Verfügung steht. Seit mehr als zehn Jahren fordern die Initiativen ein neues Atommüll-Lager in Jülich nach heutigen Standards. Sie sind der Meinung, daß das Forschungszentrum Jülich und die Jülicher Entsorgungsgesellschaft (JEN) die Verantwortung nach Ahaus abschieben wollen. "Verantwortung kann man nicht outsourcen" (Aktionsbündnis 'Stop Westcastor'). Zudem ist der Jülicher Atommüll noch nicht endlagergerecht verpackt und es gibt bisher kein technisches Verfahren, um den Kernbrennstoff vom Trägermaterial Graphit zu trennen. Jülicher WissenschaftlerInnen verfügen über die nötige Expertise in der Kerntechnik. Auch dies ist ein triftiger Grund, den Atommüll in Jülich zu belassen.
Konsens war, daß verschiedene Anfragen an das NRW-Wirtschaftsministerium formuliert werden: Zum Beispiel, was mit defekten CASTOR-Behältern passiert, wenn diese im "Zwischen"-Lager Ahaus stehen und repariert werden müssen. Damit wollen die Initiativen den Druck auf die Parteien-Politik erhöhen. Denn in den Parlamenten werde entschieden, was mit den Jülicher Atomkugeln geschieht.
In Jülich befinden sich 152 CASTOR-Behälter mit etwa 300.000 Brennelemente-Kugeln aus dem früheren AVR-Versuchsreaktor. Bereits 2013 war die Aufbewahrungs-Genehmigung dort abgelaufen. Seitdem wurden munter die verschiedensten Varianten diskutiert, was mit diesem Atom-Müll geschehen solle - ohne jegliche Konsequenz. Der Bau eines neuen Lagers wird so seit zehn Jahren verhindert. Das jetzige Jülicher Lager ist laut der Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN) auf zwanzig Jahre begrenzt. Bereits seit 2014 gibt es eine Anordnung zur Räumung.
Aus Sicht der AtomkraftgegnerInnen könnte noch ein weiteres Problem auf Ahaus zukommen: Die CASTOR-Behälter sind für 40 Jahre zugelassen – aber was passiert danach? Halten sie dicht und wie sieht es im Inneren der CASTOR-Behälter aus? Auf diese Fragen hat die Wissenschaft bis heute keine eindeutigen Antworten.
Die Landeskonferenz forderte einen vollständigen Ausstieg aus der Nutzung der Atomenergie in Deutschland. Die Urananreicherungsanlage (UAA) in Gronau, NRW, an der Landesgrenze zu Niedersachsen und die Brennelementefabrik wenige Kilometer hinter der Landesgrenze in Lingen (Niedersachsen) sind vom angekündigten Atomausstieg ausgenommen und haben eine unbefristete Betriebsgenehmigung.
Kritik äußerten die in Jülich zusammengekommenen Atomkraft-GegnerInnen auch an der verlängerten Laufzeit von zwei belgischen Atomkraftwerken. Die Risse-Reaktoren Tihange 2 und Doel 3 sind jetzt zwar endgültig vom Netz, doch die belgische Regierung und der Energiekonzern Engie haben angekündigt, die Laufzeit von Tihange 3 und Doel 4 noch bis Ende 2035 zu verlängern. Es handelt sich dabei ausgerechnet um zwei Uralt-Reaktoren, bei denen schon mehrfach Mängel festgestellt worden sind. Bis zum 20. Mai 2023 können Personen, die sich betroffen fühlen, Einsprüche einreichen. Weiterhin richtete sich der Protest der NRW-Landeskonferenz gegen den geplanten Neubau von Atomkraftwerken in den Niederlanden.