Am 3. Februar fand in wendländischen Dannenberg eine Veranstaltung der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, der Bäuerlichen Notgemeinschaft und des Rechtshilfefonds Gorleben statt – dreier maßgeblicher Organisationen im jahrzehntelangen Anti-Atom-Kampf. Rede und Antwort stehen mußten VertreterInnen der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE). Schon seit Jahren steht zu befürchten, daß der in 113 CASTOR-Behältern in einer oberirdischen Halle bei Gorleben abgestellte hochradioaktive Atommüll möglicher Weise nie mehr an einen anderen Ort transportiert wird.
Diese Befürchtungen haben Ende vergangenen Jahres neue Nahrung erhalten, als bekannt wurde, daß die sogenannte Endlagersuche in Deutschland nicht – wie noch vor kurzem veranschlagt – bis 2031 abgeschlossen werden kann, sondern daß damit zu rechnen ist, daß das offizielle Suchverfahren nicht vor 2046 und möglicher Weise erst 2068 zu einem Ergebnis führen wird. Die Anti-Atom-Bewegung hatte das Suchverfahren schon 2014 aus einer ganzen Reihe von triftigen Gründen abgelehnt.
Nun wird allerdings den CASTOR-Behältern offiziell lediglich eine Haltbarkeit gegen die sie von innen durchdringende Neutronen-Strahlung von 40 Jahren bescheinigt. Die Behälter sollen auch nach 40 Jahren dicht bleiben. Unabhängige WissenschaftlerInnen erachten die Annahme von 40 Jahren für deutlich zu optimistisch.
Aufgrund dieser angenommenen 40 Jahre läuft die Genehmigung für das "Zwischen"-Lager Gorleben im Jahr 2034 aus. Daß die Politik im Falle einer unrechtmäßigen Lagerung von CASTOR-Behältern durchaus kreativ ist, hat ein junger schleswig-holsteinischer Minister im Jahr 2017 bewiesen. Als ein Gericht in oberster Instanz urteilte, daß die "Zwischen"-Lagerung von Atommüll in Brunsbüttel illegal ist, entschied der Minister, die Lagerung des Atom-Mülls hinfort nicht mehr als "Zwischenlagerung" sondern als "Bereitstellungslagerung" zu bezeichnen. So konnte er das höchstinstanzliche Urteil aushebeln. Sein Name: Robert Habeck.
Da das Suchverfahren nach einem "Endlager" laut Eingeständnis der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) deutlich länger dauert, muß nun von 100 Jahren Lagerzeit in Gorleben sowie an den anderen 15 "Zwischen"-Lagerstandorten in Deutschland ausgegangen werden.
Wäre das Suchverfahren – wie ursprünglich verkündet – im Jahr 2031 abgeschlossen, hätte die Einlagerung von Atommüll frühestens im Jahr 2050 beginnen können. Schon unter dieser optimistischen Annahme hätten allein zwischen 2034 und 2050 16 Jahre mit dem Umfüllen des Atommülls in neue Behälter überbrückt werden müssen. Doch hierfür wurde bis heute keine technische Vorsorge getroffen.
Ist das Suchverfahren erst 2068 abgeschlossen, kann frühestens 2087 mit der Einlagerung begonnen werden. Zwischen 2034 und 2087 klafft eine Lücke von 53 Jahren.
Im Fokus der Kritik der Atomkraft-GegnerInnen steht das Forschungsprogramm der bundeseigenen Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ). BI-Sprecher Wolfgang Ehmke sagte: "Daß die BGZ meint, alles im Griff zu haben, auch für rund 100 Jahre, beunruhigt total." Bisher sei nicht erkennbar, daß Anregungen und Kritik am BGZ-Forschungsprogramm aufgenommen würden.
Am schlimmsten sei, erklärt BI-Sprecher Ehmke, "daß die BGZ keinen Plan B dafür hat, daß eine verlängerte Zwischenlagerung in Gorleben nicht genehmigt werden könnte und daß stattdessen ein Neubau eines robusten Lagers vonnöten wäre." Der Zeitplan für eine Neugenehmigung sei so eng gestrickt, daß diese – aus Sicht der BI notwendige – Variante gar nicht greifen könne.
Bei der Veranstaltung in Dannenberg versuchten die VertreterInnen der Behörden, die Menschen zu beruhigen. Deutlich längere Zwischenlagerzeiten seien kein Problem. Es sei ein umfangreiches Überwachungskonzept vorgesehen, mit dem die Sicherheit der CASTOR-Behälter laufend überprüft und gegebenenfalls verbessert werden könne.