Weltweit ist die Zahl der Atom-Reaktoren rückläufig. In Großbritannien waren in den 1980er-Jahren einmal 40 Atom-Reaktoren in Betrieb. Seitdem sank deren Zahl kontinuierlich bis auf 9 mit einer Leistung von insgesamt rund 6 Gigawatt. Dennoch propagiert der britische Premierminister Rishi Sunak eine Vervierfachung auf 24 Gigawatt bis zum Jahr 2050.
Am heutigen Donnerstag (11.01.24) veröffentlichte die britische Regierung eine Roadmap für den "größten Ausbau der Kernenergie" seit 70 Jahren. Tatsache ist jedoch, daß das einzige Neubau-Projekt am Standort des AKW Hinkley Point ein Fiasko ist - und dies, obwohl der britische Staat schon vor zehn Jahren 108 Milliarden Euro an Subventionen bereit gestellt hatte (Siehe hierzu unseren Artikel v. 29.09.16). Insbesondere verpflichtete sich die britische Regierung vertraglich, 117 Euro pro Megawattstunde Atomstrom zu gewährleisten. Mit weiteren zugesagten Garantien und vertraglich zugesichertem Inflationsausgleich stünde laut Berechnungen der Tageszeitung 'Financial Times' der Stromabnahmepreis im Jahr 2058 - also 35 Jahre nach der anvisierten Inbetriebnahme - bei umgerechnet 355 Euro pro Megawattstunde. Das entspricht rund dem 35-fachen des aktuellen Großhandels-Preises an der Leipziger Strom-Börse.
Die britische Regierung ist offenbar bereit, jeden beliebigen Preis zu bezahlen, da sie die zivile Atomenergie benötigt, um die britische Atomstreitmacht aufrecht erhalten zu können. Sie hängt an der Atombombe wie ein Drogen-Junkie an der Nadel. Der britische Premierminister Rishi Sunak begründete die AKW-Ausbaupläne damit, Atomenergie sei das "perfekte Gegenmittel gegen die Energieherausforderungen, denen Großbritannien gegenübersteht - sie ist grün, langfristig günstiger, und sie wird die britische Energiesicherheit langfristig garantieren".
Mycle Schneider analysierte hingegen im jährlich herausgegebenen World Nuclear Industry Status Report (WNISR), der im Dezember mit aktuellen Statistiken aufwartete: "Wenn man zu den nicht subventionierten Solar- und Windenergieanlagen in den USA mit Gesamtkosten von 45 bis 140 US-Dollar pro Megawattstunde die schnell sinkenden Kosten für den Netzausgleich (zum Beispiel für die Speicherung oder den zusätzlichen Strombezug) hinzurechnet, sind diese immer noch billiger als neue Atomkraftwerke mit durchschnittlichen 180 US-Dollar pro Megawattstunde." 180 US-Dollar sind derzeit rund 165 Euro.
Seit 2015 waren beim britischen AKW-Projekt Hinkley Point C der französische Strom-Konzern und AKW-Betreiber EdF und mit einem 33-Prozent-Anteil die chinesischen Staats-Konzerne CGN und CNNC engagiert. Im Dezember 2023 wurde jedoch bekannt, daß China ausgestiegen ist und weitere Investitionen eingestellt hat. Grund sind die starken Kostenüberschreitungen, die mit den anderen beiden AKW-Projekten des französischen Konzerns EdF in Flamanville und Olkiluoto vergleichbar sind. Die Regierungen in London und Paris werden das immer gravierender werdende Kostenfiasko von Hinkley Point C zwar voraussichtlich noch einige Jahre lang ausblenden, in anderen europäischen Hauptstädten kann es aber auf die Dauer kaum unbeachtet bleiben.