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Freitag, 25. Oktober 2024

Zum angekündigten CASTOR-Transport
von Jülich nach Ahaus

Schwarzer-Peter-Spiel - Grafik: Samy - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0
In Jülich befinden sich 152 CASTOR-Behälter mit etwa 300.000 Brennelemente-Kugeln aus dem früheren Jülicher AVR-Versuchsreaktor. Bereits 2013 war die Aufbewahrungs-Genehmigung dort abgelaufen. Seitdem wurden munter die verschiedensten Optionen diskutiert, was mit diesem Atom-Müll geschehen solle - ohne jegliche Konsequenz. Der Bau eines neuen Lagers wird so seit elf Jahren verhindert. Das jetzige Jülicher Lager dürfte eigentlich gar nicht weiterbetrieben werden. Bereits seit 2014 gibt es eine Anordnung zur Räumung. Vor über einem Jahr wurde nun angekündigt, den Atommüll per CASTOR-Transport nach Ahaus zu verschieben.

Nach den Enthüllungen zur schweren Sicherheitspanne beim "CASTOR-Probe-Transport" von Jülich nach Ahaus im November 2023 im Autobahnkreuz Duisburg-Kaiserberg haben Anti-Atom-Initiativen sowohl dem Bundes-"Umwelt"-Ministerium wie auch der zuständigen Genehmigungsbehörde, dem Atommüll-Bundesamt (BASE), geschrieben. Sie fordern Auskunft darüber, wie es zu der gravierenden Panne kommen konnte und warum die Öffentlichkeit nicht früher informiert wurde. Zudem wollen die Initiativen wissen, warum das BASE gegenüber der 'taz' noch im Juli 2024 behauptete, von der Panne keine Kenntnis zu haben. Das BASE soll angeblich auf der Basis der auch bei den Probe-Transporten gesammelten Erkenntnisse über die Erteilung der Transportgenehmigung entscheiden.

Nach Ansicht der Anti-Atom-Bewegung ist die am wenigsten schlechte Option immer noch die, am Standort Jülich ein neues Atommüll-Lager mit Beton-Wänden mindestens nach Lubmin-Standard zu errichten. Doch dies wird seit elf Jahren verhindert. Die Anti-Atom-Organisation '.ausgestrahlt' forderte nun Einsicht in die mehr als 120 Berichte, in denen die Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN) das nordrhein-westfälischen "Umwelt"-Ministerium monatlich über alle Schritte informieren mußte, die sie für eine "möglichst sichere" Lagerung des Atommülls in Jülich unternommen hat. Doch das Ministerium verweigert die Herausgabe dieser Umwelt-Informationen. Begründung: Bei einer öffentlichen Diskussion über den Umgang mit dem Jülicher Atommüll bestünde "die Gefahr", daß die Behörden nicht mehr "störungsfrei (…) ihre Entscheidungen (…) ohne äußeren Rechtfertigungsdruck treffen und ändern" könnten.

Wir nehmen dies zum Anlaß für einen Rückblick auf die vergangenen 12 Jahre:

Im November 2012 wurde bereits nach heftigen Protesten ein angekündigter CASTOR-Transport von Jülich nach Ahaus abgesagt (Wir berichteten). Damals kam die Option ins Spiel, den Atommüll in die USA "zu entsorgen" - obwohl auch dort kein Endlager existiert. Doch auch der Bau eines neuen Atommüll-Lagers am Standort Jülich war schon damals eine der drei Optionen.

Im Februar 2013 kam zutage, daß die Regierungen des Bundes und des Landes NRW Druck machten, daß der Atom-Müll des ehemaligen Kernforschungszentrums Jülich in die USA geschafft wird (Wir berichteten). Dies hätte ein Präjudiz für Atom-Müll-Transporte geschaffen und eine Schein-Lösung des "Endlager"-Problems ermöglicht.

Im Mai 2013 berichteten wir, daß ab 1. Juli 2013 die weitere Lagerung des Atommülls in der bestehenden Halle de facto illegal sein werde. Seit 20 Jahren war bekannt, daß die Genehmigung zur Lagerung von Atom-Müll im "Zwischen"-Lager Jülich bis zum 30. Juni 2013 befristet ist. Dennoch wurde die Zeit vertan. Damit war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu vermeiden, daß die Lagerung des Atom-Mülls in 152 CASTOR-Behältern aus den Zeiten des Kernforschungszentrums Jülich im vorhandenen und völlig unzureichenden "Zwischen"-Lager ab dem 1. Juli 2013 illegal ist.

In der Folge ordnete die nordrhein-westfälische Atomaufsicht - damals unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraft - an, daß der Atommüll in der bestehenden Halle bleiben darf und legalisierte den Zustand damit pro forma (Wir berichteten).

Im Juli 2013 beschloß eine "schwarz-rot-gelb-grüne" Blockflöten-Koalition im Bundestag einen Passus im sogenannten Endlager-Such-Gesetz, wodurch der Export von Atom-Müll aus Forschungszentren erlaubt wird. Damit war theoretisch der Weg frei, den Atommüll in die USA zu verschieben.

Im Februar 2014 wurde bekannt, daß es in der Versuchs-Atommüll-Deponie WIPP im US-Bundesstaat New Mexico zu einer Explosion eines Atommüll-Behälters gekommen war (Wir berichteten am 16.02., am 27.02. und am 30.03.2014).

Am 26. Oktober 2015 berichteten wir darüber, daß es am 18. Oktober gleich zu mehreren Explosionen in der seit 1992 geschlossenen Atommüll-Deponie in der Nähe der Gemeinde Beatty im US-Bundesstaat Nevada gekommen war.

In all den Jahren wurden angeblich alle drei Optionen, die Verschiebung des Atommülls in die USA, der Bau einer neuen Halle in Jülich und der CASTOR-Transport nach Ahaus geprüft.

Immer wieder hieß es aus Jülich, daß das Erdbeben-Risiko vor Ort geprüft werden müsse - es sei lediglich unklar, wie dies durchzuführen sei. Als dann 2018 offiziell feststand, wie dieser Nachweis zu führen wäre, bestand dennoch offenkundig wenig Interesse am Bau einer neuen Halle. Zwischen September 2015 und August 2021 hat die in Jülich zuständige JEN nach eigenen Angaben 17,7 Millionen Euro für die Prüfung der Option, den Atommüll nach Ahaus zu karren, verausgabt - und immerhin 10,9 Millionen Euro für die Prüfung der Option, einen Transport in die USA vorzubereiten. Für die Prüfung eines Neubaus in Jülich hat die JEN jedoch gerade einmal 62.300 Euro - also rund 5 Prozent von 10 Millionen Euro - aufgewendet. Nach Aussage der örtlichen Anti-Atom-Initiativen macht dies die Präferenzen deutlich.

Und bis 2022 hat die JEN bereits die Hälfte der insgesamt für die Räumung des Lagers eingeplanten 212 Millionen Euro ausgegeben, ohne daß die Neubau-Pläne erkennbar vorangekommen wären. Zwischen der Bundesregierung, der NRW-Landesregierung und Jülich wird der "Schwarze Peter" vom einen zum anderen weitergereicht. Der Bundesrechnungshof kritisiert eine "erhebliche Ressourcenbindung" und damit "Lösungsverzögerung". Nachweise seien weder rechtzeitig noch in der nötigen Qualität vorgelegt worden. Zu berücksichtigen ist zudem die Tatsache, daß sowohl der Bund als auch das Land NRW Gesellschafter der Jülicher JEN sind und daß deren VertreterInnen im Aufsichtsrat der JEN sitzen. Der Bundesrechnungshof kommt daher zum Fazit, daß auch Bund und Land nicht zur Entscheidungsfindung beigetragen haben. Aus der Sicht der örtlichen Anti-Atom-Initiativen zeigen alle drei beteiligten Seiten keinerlei Verantwortungsbewußtsein angesichts des Risikos, dem die Bevölkerung seit vielen Jahren ausgesetzt ist.