Im französischen AKW Penly wurde in einem sicherheitsrelevanten Rohr ein 15,5 Zentimeter langer Riß entdeckt, der zudem eine Tiefe von 23 Millimetern aufweist – das Rohr hat eine Wanddicke von 27 Millimetern. Die französische Atomaufsicht ASN ordnete diesen desaströsen Befund allerdings lediglich auf Stufe 2 der siebenstufigen INES-Skala ein. Das AKW liegt in der Normandie direkt am Ärmelkanal.
Im vergangenen Sommer waren in Frankreich in der Spitze 29 der insgesamt 56 maroden französischen Atom-Reaktoren abgeschaltet – davon laut offiziellen Angaben zwölf wegen der Hitze. Schon damals waren in etlichen Rohren Risse entdeckt worden. Dennoch beeilte sich Julien Collet, Vize-Chef der ASN, der Öffentlichkeit mitzuteilen, daß der im AKW Penly neu entdeckte Riß nicht zu massiven Abschaltungen von Reaktoren führen werde. Allenfalls werde die Wartung einiger Atomkraftwerke ein wenig länger dauern. Und wie immer in solchen Fällen heißt es standardmäßig: Mensch und Umwelt seien nicht gefährdet.
Der unabhängige Experte Yves Marignac vom WISE-Institut in Paris erklärte, der Riß sei offensichtlich an einer Stelle aufgetreten, wo er nicht erwartet wurde. Es handle sich um ein Rohr des Notkühlsystem, durch das im Notfall erhitztes Wasser geleitet werde. Bislang habe der französische Strom-Konzern und AKW-Betreiber EdF in erster Linie die Rohre des Notkühlsystems überprüft, die für die Einspeisung von kaltem Wasser vorgesehen sind, sagte Marignac. Das Ausmaß des Risses sei beunruhigend.
Seit Ende 2021 waren in mehreren französischen AKW feine, bis zu sechs Millimeter tiefe Risse in Rohren festgestellt worden. EdF hatte einen Teil der Reaktoren wegen der nötigen Reparaturarbeiten vom Netz genommen. Die Reparaturen verzögerten sich allerdings, weil in Frankreich die nötigen Fachkräfte fehlen. Es mußten SchweißerInnen aus den USA und Kanada eingeflogen werden.
Alle 56 Atom-Reaktoren waren für Untersuchungen auf mögliche Korrosionsschäden vorgesehen worden. EdF verkündete Ende 2022, die Krise wegen der Korrosionsschäden überwunden zu haben. Laut ASN aktualisierte die EdF nun allerdings ihre Angaben zu Korrosions-Problemen in den AKW Cattenom, Civaux und Chooz. Details dazu wurden aber nicht publik.
Wegen anhaltender Probleme mit ihrer alternden AKW-Fotte hatte die EdF im vergangenen Jahr so wenig Strom produziert wie seit drei Jahrzehnten nicht. Präsident Emmanuel Macron verkündete, noch während seiner Amtszeit den Grundstein für die ersten beiden von sechs neuen Atom-Reaktoren zu legen – diese sollen am Standort des AKW Penly gebaut werden. Angesichts der Kosten-Explosion bei den beiden AKW-Projekten in Flamanville und im finnischen Olkiluoto und der dreifachen Überschreitung der veranschlagten Bauzeit, sind diese Pläne offensichtlich illusionär. Frankreich muß nach Aussagen der europäischen Energie-Kommissarin Kadri Simson allein 45 bis 50 Milliarden Euro aufbringen, nur um die marode AKW-Fotte in den kommenden Jahren am Laufen zu halten. Um dieses Geld aufzutreiben, wurde per EU-Taxonomie die Atomenergie als nachhaltig deklariert.