Mit insgesamt 24 Milliarden Euro konnten sich im Jahr 2017 die vier deutschen AKW-Betreiber von der Verantwortung für den Atommüll freikaufen. Die Bundesregierung übergab das Geld der neugegründeten Atommüllstiftung KENFO und diese soll die 24 Milliarden Euro - angesichts der gigantischen Aufgabe viel zu wenig - sicher und rentabel anlegen. KENFO rühmt sich selbst einer "grünen Anlagestrategie". Doch nun deckten die Umwelt-Organisationen 'urgewald' und 'Fossil Free Berlin' auf, daß KENFO erhebliche Summen in Unternehmen der fossilen Energie-Branche investiert hat.
Ihre Ergebnisse veröffentlichten 'urgewald' und 'Fossil Free Berlin' heute in Berlin. Demnach hat KENFO zum Stichtag 31.12.2022 rund 771 Millionen Euro in Aktien und Anleihen von 107 fossilen Unternehmen investiert - darunter Total, Shell und BP. 60 Millionen Euro des "Endlager"-Fonds investierte KENFO zudem in 13 Kohle-Konzerne.
Konzerne wie Shell und BP (British Petrol) hatten von über 20 Jahren verkündet, sich in grüne Konzerne zu transformieren und auf erneuerbare Energie umzusatteln - BP deutete den eigenen Firmen-Namen gar in "Beyond Petrol" um. Doch der Anteil von Geschäften mit erneuerbaren Energien kam nie über wenige Promille am Gesamtumsatz hinaus. Nun kommt zutage: Im fossilen Bereich setzen diese Konzerne sogar weiterhin auf Expansion. Alle 107 Gas- und Öl-Unternehmen, in die KENFO investiert hat, bauen ihre fossilen Geschäfte aus und gefährden so die weltweit dringende Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen. Sie erschließen neue Öl- und Gasfelder, bauen neue Pipelines, LNG-Terminals und Gaskraftwerke.
Bestehende Investitionen in Gas- und Öl-Konzerne rechtfertigt KENFO damit, es sei beabsichtigt, "die Wirtschaft, und damit die Portfolio-Unternehmen, bei der Umstellung ihrer Geschäftsmodelle zur Klimaneutralität konstruktiv" zu begleiten. Diese Heuchelei wird als "Engagement" bezeichnet, und steht in diametralem Gegensatz zu Divestment - gezielten Verkauf fossiler Geldanlagen.
Anna Lena Samborski, Finanz-Campaignerin bei 'urgewald', sagte: "Öl- und Gasunternehmen wie Total, Shell oder BP haben offenkundig kein Interesse daran, ihr Geschäftsmodell an eine klimagerechte Zukunft anzupassen. Die angebliche 'Begleitung' solcher Unternehmen in Richtung eines klimaneutralen Geschäftsmodells funktioniert nicht. Wenn KENFO seine grünen Ansprüche ernstnimmt, muß er sich von seinen fossilen Geldanlagen trennen. Als staatlich kontrollierte Stiftung hat KENFO Vorbildcharakter und sollte beim Klima keine Kompromisse machen."
Wie ein konsequenter Ausschluß fossiler Geldanlagen funktionieren kann, zeigt aktuell der niederländische Pensionsfonds 'Zorg & Welzjin' (PFZW), der die Pensionsgelder für mehr als 3 Millionen Menschen aus Pflege- und Sozialberufen verwaltet. Das Fonds-Management hat vor einer Woche verkündet, 310 Öl- und Gasunternehmen divestiert zu haben, da sie ihr Geschäft nicht an der Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen ausrichteten. So hat sich PFZW von Total, Shell und BP getrennt. Die Vorstandsvorsitzende Joanne Kellermann sagte: "Ein intensiver Dialog in den vergangenen zwei Jahren mit der Öl- und Gas-Branche zum Thema Klima hat uns deutlich gemacht, daß die meisten Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft nicht bereit sind, ihre Geschäftsmodelle anzupassen."
Mathias von Gemmingen, Campaigner bei 'Fossil Free Berlin', ergänzte: "Wenn staatliche Stellen die Klimaschäden der Fossil-Industrie ignorieren und durch Finanzgeschäfte auch noch anfeuern, ist das ein politisches Versagen. Vom KENFO-Management erwarten wir, daß es seine besonderen Nachhaltigkeitsversprechen auch einlöst und mit einem fossilfreien Portfolio zum Vorbild für alle staatlichen Investitionen wird."
Tatsächlich aber ist die Heuchelei in der sogenannten politischen Klasse Deutschlands weit verbreitet. Auch das Bundesinnenministerium mußte kürzlich zugeben, Aktien von Gas- und Öl-Konzernen für eine halbe Milliarde Euro gekauft zu haben.