Der Dokumentar-Film 'Atomnomaden' (Originaltitel: 'Nomades du nucléaire') von Kilian Armando Friedrich und Tizian Stromp Zargari eröffnet Einblicke in das Leben von Arbeits-Nomaden in Frankreich, die für die Atom-Industrie die Drecksarbeit machen. Die insgesamt 56 Atom-Reaktoren in den 18 französischen Atomkraftwerken sind im Schnitt 37 Jahre alt - laufen also schon 12 Jahre länger als ursprünglich geplant. Atomnomaden werden für Arbeiten in den radioaktiv kontaminierten Bereichen der Atomkraftwerke benutzt.
Marie-Lou, Florian, Vincent und Jérôme arbeiten in Frankreich als Atomnomaden für Sub-Unternehmen des staatlichen französischen Strom-Konzerns und AKW-Betreibers EdF. Sie werden - im Gegensatz zu den gehätschelten Festangestellten der EdF für die riskanten Wartungsarbeiten in den Atomkraftwerken eingesetzt, wobei sie nicht selten erheblicher radioaktiver Strahlung ausgesetzt sind. Für jeden Auftrag erhalten sie im Vergleich zu Arbeiten mit ähnlicher Qualifikation überdurchschnittliche Löhnen und beeindruckende Prämien in Höhe von bis zu 6.000 Euro. Dafür setzen sie ihre Gesundheit aufs Spiel. Ihre Strahlenbelastung wird - zumindest offiziell - exakt notiert, so daß sie bei Erreichen einer (willkürlich und nur nach politischen Kriterien) festgelegten Belastungsgrenze immer wieder pausieren müssen.
In Wohnmobilen reisen sie von AKW zu AKW und kampieren auf Parkplätzen im Umfeld der gigantischen und kilometerweit zu sehenden Kraftwerke. Sie hoffen darauf, in einem Alter von vierzig oder fünfzig Jahren genügend Geld angespart zu haben, um dann ein freies Leben führen zu können, träumen von einem eigenen Garten, von Selbstversorgung... "In fünf Jahren bin ich 40, dann wär ich gerne fertig damit!" Um dieses Ziel zu erreichen nehmen sie nicht nur das gesundheitliche Risiko in Kauf, sondern zudem, ständig erreichbar sowie verfügbar zu sein und immer wieder hunderte Kilometer im Wohnmobil bis zum nächsten Einsatzort zurückzulegen. Daß sie die Gefahr, an Krebs zu erkranken, in hohem Maße verdrängen, zeigt sich auch in ihrem ständigen Zigaretten-Konsum.
Der Regisseur Kilian Armando Friedrich, der an der Grenze von Deutschland und Frankreich aufgewachsen ist, unternahm des öfteren Radtouren in diesem Grenzgebiet, wo sich auch etliche französische Atomkraftwerke befinden - unter anderen das AKW Cattenom. Eines Tages entdeckte er davor Wohnmobile, wunderte sich und wollte mehr über die Menschen erfahren, die an einem für Camping recht ungewöhnlichen Ort ihr Lager aufschlagen.
Zusammen mit dem Regisseur Tizian Stromp Zargari lernte er die Atomnomaden kennen und begleitete sie bei ihren Fahrten von AKW zu AKW. Dabei wurden sie zusammen mit dem Kameramann Jacob Kohl selbst zu Nomaden, welche in einem Wohnwagen die Atomkraftwerke abklapperten. Die Film-Aufnahmen bleiben dicht bei den ProtagonistInnen mit teilweise fast intimen Einblicken in ihren Tagesablauf. Anhand der unkommentiert geschilderten Schicksale vermittelt der Doku-Film einen unverstellten Einblick in die ausbeuterische Arbeitswelt. Film-Aufnahmen während der Arbeit in den Atomkraftwerken waren allerdings nicht möglich. Details über die Arbeit und dem damit verbundenen Risiko erfahren die ZuschauerInnen nur indirekt aus den Gesprächen.
Dieser enge Kontakt mit den ProtagonstInnen, die - soweit es die in den Verträgen mit den Sub-Unternehmen eingegangene Schweigepflicht erlaubt - recht offen über die Arbeitsbedingungen sprechen, vermittelt den ZuschauerInnen dieses Doku-Films die Gefühlswelt der Atomnomaden. Dies hilft dabei, sie nicht von Vornherein als "nützliche Idioten" einer verbrecherischen Industrie zu verurteilen. Der Film zeigt exemplarisch, was der "freie Markt", neoliberale Kostenminimierung und Auslagerung von Arbeiten an Sub-Unternehmen mit und aus Menschen macht.
Der 73-minütige Doku-Film wurde erstmals am am 23. Februar 2023 auf der Berlinale gezeigt. Die Anti-Atom-Gruppe organisierte in Kooperation mit dem 'Kommunalen' ("KoKi") eine Vorführung am 23.06.24 im Alten Wiehrebahnhof in Freiburg.
Hier nochmal unser Veranstaltungsplakat: