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Dienstag, 14. Mai 2024

Vortrag von Erst-Ludwig Iskenius
Atomwaffen in Deutschland
Schutzschirm oder Damoklesschwert?

Erst-Ludwig Iskenius - Foto: Klaus Schramm - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0
Vermutlich wäre bis heute nicht öffentlich bekannt, ob und wo sich in Deutschland US-amerikanische Atombomben befinden, wenn sich der damalige deutsche Kriegsminister Rudolf Scharping nicht am 9. Februar 2001 in der ARD-Sendung 'Bericht aus Berlin' verplappert hätte (Siehe unseren Bericht v. 26. März 2020). Der Arzt Ernst-Ludwig Iskenius kämpft seit vielen Jahren in Büchel in der Eifel gewaltfrei für den Abzug der dort stationierten Atombomben. In seinem Vortrag in Freiburg sprach er über die Gründe für seinen Einsatz.

Zu Beginn seines Vortrags beschrieb Iskenius die derzeitige globale Situation: Über 12.000 Atomsprengköpfe in neun Staaten bedrohen das Leben auf unserem Planeten. Dieses atomare Arsenal ist ein Mehrfaches dessen, was zur totalen Auslöschung genügen würde. Über tausend Atomsprengköpfe befinden sich in ständiger Alarmbereitschaft.

Bei den neun Staaten handelt es sich um:
Rußland (5.977)
USA (5.428)
China (350)
Frankreich (290)
Großbritannien (225)
Pakistan (165)
Indien(160)
Israel (90)
und
Nordkorea (20)
- jeweils mit der Zahl ihrer Atomsprengköpfe.

Im Gegensatz zu Chemiewaffen und biologischen Waffen gibt es noch kein Verbot in Form einer internationalen Konvention. Der UN-Vertrag über das Verbot von Atomwaffen wurde zwar von der UN-Generalversammlung am 7. Juli 2017 mit 122 Stimmen von 193 angenommen und verabschiedet. Und am 22. Januar 2021, 90 Tage nach der 50. Ratifizierung, trat der Vertrag in Kraft. Entscheidend ist jedoch, daß sich die Atommächte hierdurch nicht gebunden sehen, in ernsthafte Abrüstungsverhandlungen einzutreten.

Ihre wechselseitige Drohung mit Atomwaffen ist dennoch völkerrechtswidrig. Dies wurde bereits im Jahr 1996 durch Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag festgestellt. In den Mainstream-Medien wurde darüber bislang kaum berichtet. Die Kernaussage des Richterspruches (advisory opinion) lautet: "Die Androhung des Einsatzes und der Einsatz von Atomwaffen verstoßen generell gegen das Völkerrecht und im besonderen gegen die Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts."

Atomwaffen sind deshalb nach dem Völkerrecht verboten,

  • weil sie unterschiedslos Soldaten und Zivilisten treffen
  • weil sie durch die radioaktive Strahlung unnötige Qualen verursachen
  • und weil die Umwelt und damit alle Lebensgrundlagen dauerhaft schädigen.

Iskenius betonte, daß dieses Urteil nicht ausschließlich eine moralische, sondern auch eine rechtliche Norm sei und daher Atomwaffen nie eingesetzt werden dürfen - auch nicht zur Verteidigung. Dies gelte ohne Wenn und Aber.

Zugleich ist aber - wie Iskenius betonte - festzustellen, daß die internationale Abrüstungsarchitektur nach einer kurzen Phase atomarer Abrüstung zwischen 1986 und 1994 systematisch ausgehebelt wurde und zum größten Teil zusammengebrochen ist. In den vergangenen 20 Jahren sind folgende Verträge gekündigt worden: Der ABM-Vertragwurde 2001 durch die US-Regierung gekündigt. SALT II wurde durch durch die USA nie ratifiziert, ersetzt durch NEW Start 2010, erneuert 2021, ausgesetzt durch Rußland 2023. Der INF-Vertrag von 1988 wurde zuerst von der US-Regierung im Jahr 2019, danach auch von russischer Seite gekündigt. Der Open-Sky-Vertrag von 1992 - gekündigt im Jahr 2020 durch die USA und 2021 durch Rußland.

Übrig geblieben sind der Atomwaffensperrvertrag (NPT) von 1968 und der Atomteststopp-Vertrag von 1963. Der umfassende CTBT von 1996 ist zwar nicht in Kraft, wird aber von den großen Atommächten eingehalten.

Neue Verhandlungen sind derzeit nicht in Sicht, obwohl die Spannungen zwischen den Großmächten zunehmen und solche Verhandlungen umso dringlicher wären - zumal seit der Zuspitzung des Konflikts um die Ukraine nach dem russischen Einmarsch am 24. Februar 2022. Statt dessen werden alle Atomwaffen-Arsenale erneuert und zum Teil mit Trägersystemen ausgestattet, die ganz neue Eigenschaften haben. Dies bedeutet eine weitere Eskalation der atomaren Aufrüstung.

Iskenius wies zudem auf die neuen Gefahren durch "künstliche Intelligenz" - KI - hin und die damit verbundene Steigerung des Risikos eines Atomkriegs aus Versehen (Siehe hierzu unseren Bericht vom 14.10.2020 und die Erinnerung an die Beinahe-Katastophe vom 26. September 1983). Ein weitere unheilvolle Entwicklung bahnt sich laut Iskenius mit dem Bau von sogenannten Mini-Atombomben an, die den Atomkrieg "militärisch führbar" machen sollen und deren Existenz damit zugleich die Schwelle zum Ausbruch des totalen Atomkriegs herabsetzt.

Nach dieser Analyse der globalen Situation, beschrieb Iskenius die Lage in Deutschland. Seit 1945 gab es Bestrebungen der deutschen Regierungen zur eigenen atomaren Aufrüstung - angefangen mit Bundeskanzler Konrad Adenauer, der Atomwaffen verharmlosend als "Weiterentwicklung der Artillerie" bezeichnete und in einem Atemzug mit den Worten fortfuhr: "Natürlich können wir darauf nicht verzichten." Da dies aber vom US-Imperium nicht gewünscht war, mußte sich das deutsche Militär damit "begnügen", die US-amerikanischen Atomwaffen als "Schutzschild" zu betrachten. Es ist auch vielfach von einem "atomaren Schutzschirm" die Rede.

Ob die "atomare Abschreckung" jedoch tatsächlich funktioniert oder ob die Menschheit in den vergangenen 79 Jahren nur mit viel Glück überlebt hat, wird je nach Interessenlage sehr unterschiedlich beurteilt. Unbestreitbar ist, daß in diesen 79 Jahren schon mehrmals ein Atomkrieg nur um Haaresbreite abgewendet werden konnte. Der frühere Regierungs-Chef der UdSSR, Michael Gorbatschow sagte ganz offen, daß der Atomkrieg schon mindestens dreimal nur ganz knapp habe vermieden werden können. Selbst General Lee Butler, oberster militärischer Chef der US-amerikanischen Atomwaffen in den Jahren 1991 bis 1994, erklärte in einem Vortrag im Jahr 1999 unmißverständlich, daß er die Doktrin der "atomaren Abschreckung" als verrückt bewertet. Erst nach über 30 Jahren im militärischen Dienst habe er erkannt, daß die "gesicherte gegenseitige Zerstörung", englisch: "Mutually Assured Destruction" - offiziell abgekürzt mit MAD - nichts anderes als "mad" - auf deutsch: "verrückt" - ist. Und sein Urteil über die ihm nach seiner Pensionierung im Jahr 1994 nachfolgenden militärischen und politischen Führer war vernichtend: Weil diese das atomare Wettrüsten auf der Erde wieder in Gang gesetzt haben, hätten sie die Menschheit dazu verdammt, unter dem "ständigen Damoklesschwert der Angst" zu leben. Butler wörtlich: "Das ist kein der Menschheit würdiges Erbe. Das ist nicht die Welt, die ich meinen Kindern und Enkeln hinterlassen will. Das ist einfach untragbar."

Dennoch betrachtet auch die gegenwärtige deutsche Regierung die atomare Bewaffnung als notwendig und hegt die Hoffnung, mittels der "atomaren Teilhabe" ein Mitspracherecht im Falle des Einsatzes der in Büchel stationierten Atombomben zu haben. Einerseits bekundet sie, eine atomwaffen-freie Welt - in ferner Zukunft - anzustreben, andererseits hält sie an der "atomaren Abschreckung" fest und stellt mehr als 10 Milliarden Euro in neue Trägersysteme zur Verfügung. Laut offiziellem Beschluß soll außerdem der Atomwaffen-Stützpunkt Büchel für mehrere hundert Millionen Euro ausgebaut werden. Die 'Wirtschaftswoche' und das Magazin 'Business Insider' berichteten im Februar 2024, daß sich die Kosten fast verdoppeln würden - von zunächst geplanten 525 Millionen Euro auf mehr als 1,2 Milliarden Euro.

Leider haben auch die führenden VertreterInnen der drei an der Ampel-Regierung beteiligten Parteien unisono ihre Ablehnung des UN-Atomwaffenverbotsvertrages erklärt. Schlimmer noch: Im gegenwärtigen Wahlkampf haben diese eine Diskussion um eine "europäische Atombombe" angezettelt. Die Spitzenkandidatin der "S"PD zur Europawahl, Katarina Barley, brachte laut ARD-Tagesschau vom 13. Februar "EU-eigene Atombomben ins Spiel". Dies stieß allerdings bei der eigenen Parteibasis auf Widerspruch und der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner bezeichnete den Vorstoß für gemeinsame europäische Atomwaffen als "brandgefährliche Eskalation". Dem 'Tagesspiegel' sagte er: "Eine europäische Atommacht braucht es nicht, sie wäre das Gegenteil von europäischer Sicherheit."

Bundesfinanzminister Christian Lindner forderte, die strategischen Atomstreitkräfte Frankreichs und Großbritanniens als "Element europäischer Sicherheit unter dem Dach der NATO weiter zu denken." Auch der frühere deutsche Außenminister Joseph Fischer fordert neue Atomwaffen in Europa: "Die EU braucht eine eigene atomare Abschreckung."

Iskenius kritisierte, daß der deutschen Bevölkerung in der gegenwärtigen Krisenzeit vorgegaukelt werde, mit Atomwaffen und Aufrüstung könne Sicherheit erkauft werden. Glücklicherweise sei eine "neue europäische Atombewaffnung" schon allein deshalb wenig realistisch, weil es bisher keine gemeinsame Militärpolitik in der EU gebe. Er wertete die medial inszenierten Vorstöße führender Ampel-PolitikerInnen als "Schein-Debatte", da eine europäische Atombewaffnung auf eklatante Weise gegen den NPT-Vertrag verstoßen würden. Zudem führe eine europäische Atomwaffe zu einer unkontrollierten Verschärfung der Spannungen und würde das endgültige Aus für das einstige Friedens-Projekt Europa besiegeln. Im Übrigen gebe es nicht einmal ein durchgängiges Konzept für die Aufgabenverteilung innerhalb der EU in technischer und finanzieller Hinsicht, um neue Atomwaffen zu produzieren und zu unterhalten. Allein der finanzielle Aufwand übersteige - wie die Beispiele Frankreich und Großbritannien zeigen - die Möglichkeiten der EU.

Weiter ging Iskenius in seinem Vortrag auf die spezifische Situation in Büchel ein. Im dortigen deutschen Militärflughafen - im Militär-Jargon: Fliegerhorst - sind US-amerikanische Atombomben stationiert. Deutsche Soldaten üben in Büchel täglich den Atomkrieg. In die militärische nukleare Planung in Brüssel sind nach derzeitigem Kenntnisstand deutsche Militäroffiziere mit eingebunden. Im Falle eines Einsatzes soll deutschen Soldaten angeblich die Verfügungsgewalt von Atomwaffen übertragen werden. Und die deutsche Luftwaffe soll bei einem solchen Einsatz die US-amerikanischen Atombomben ins Zielgebiet bringen - so denn überhaupt noch Zeit hierfür sein sollte und Interkontinentalraketen nicht schon zuvor die gesamte Erdoberfläche in Schutt und Asche gelegt haben.

Die "atomare Teilhabe" hat mittlerweile dafür gesorgt, daß andere dem schlechten Beispiel folgen: So hat die russische Regierung hat nach eigener Aussage 2023 begonnen, Belarus in eine atomare Teilhabe einzubeziehen. Als Reaktion hierauf forderte nun im April der polnische Staatspräsident Andrzej Duda, daß US-amerikanische Atomwaffen auf polnischen Gebiet stationiert werden.

Für VölkerrechtlerInnen ist es offenkundig, daß die "atomare Teilhabe" gegen internationales Recht verstößt. Sie verstößt sowohl gegen § 2 des NPT-Vertrages (Verboten ist Empfang, Verfügung und Mitverfügung von Atomwaffen) als auch gegen § 6 des NPT-Vertrages (Verpflichtung zur Abrüstungsverhandlungen). Sie verstößt gegen die internationale Rechtsauffassung, nicht mit Atomwaffen zu drohen (Humanitäres Völkerrecht). Der Einsatz von Atomwaffen und seine Androhung sind völkerrechtlich verboten (Ersteinsatz, Übungen). Sie verstößt gegen das unteilbare Menschenrecht auf Leben nach Artikel 6 des UN-Zivilpaktes (z.B. Nukleare Geiselhaft, koloniale Folgen bei den Atomwaffentests). Sie verstößt auch gegen den Geist des 2-plus-4-Einigungsvertrages von 1990/1991 (Verzicht auf jegliche Atomwaffen).

Die "atomare Teilhabe" verstößt auch eindeutig gegen das Grundgesetz. Nach Artikel 25 GG sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts vorrangiger Bestandteil des Bundesrechts. Hinzu kommt, daß die "atomare Teilhabe" nie vom Bundestag beschlossen wurde, obwohl sie existentielle Bedeutung für Deutschland hat. Sie widerspricht Artikel 1 und 2 des Grundgesetzes. Würde und Leben eines jeden Menschen ist zu schützen - nicht nur das Leben von BundesbürgerInnen. Und: Entgegen den Behauptungen aus Regierungskreisen würde eine Beendigung der "atomare Teilhabe" keineswegs gegen den NATO-Vertrag verstoßen- wie die Beispiele der NATO-Mitgliedsstaaten Griechenland und Irland beweisen.

Auch in den Reihen der Friedensbewegung wird gelegentlich die Frage gestellt, ob denn der Atomwaffenverbotsvertrag überhaupt jemals durchgesetzt werden könne. Iskenius stezte dem entgegen, daß es sich zumindest um einen ersten Fortschritt handele, weil sich eine zivilgesellschaftliche Organisation - ICAN ("International Campaign to Abolish Nuclear Weapons" - auf deutsch: "Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen") gebildet hat und in der UN einiges bewegen konnte. Es kam so zum ersten Mal zu einem "internationalen Zusammenschluß der atomaren Habenichtse". Immerhin konnte eine Mehrheit der 193 Staaten dieses Planeten dazu bewegt werden, sich auf die Seite der Atomwaffen-GegnerInnen zu stellen.

Nach Ansicht von Iskenius handelt es sich um einen Schritt der Selbstbefreiung aus der atomaren Geiselhaft. Atomwaffen werden damit von einer weltweiten Mehrheit in ihrer verbrecherischen Qualität mit chemischen und biologischen Waffen gleichgestellt. Zudem wird den bisherigen Opfern der Atombomben-Abwürfe auf Hiroshima und Nagasaki ebenso wie den Opfern der Atombombentests ein Recht auf Ausgleich und Entschädigung eingeräumt. Das gleiche gilt für die Beseitigung der ökologischen Schäden und der oft nur oberflächlich abgedeckten radioaktiven Überreste. Als Arzt wies er zudem darauf hin, daß im Zusammenhang mit dem Atomwaffenverbotsvertrag zugleich die besondere Strahlensensibilität bei Frauen und Kindern anerkannt wurde. Und nicht zuletzt erhofft sich Iskenius, daß mit einer Unterzeichnung des Vertrags durch die deutsche Bundesregierung zugleich die "atomare Teilhabe" obsolet wird.

Im letzten Teil seines Vortrags beschrieb Iskenius den gewaltfreien Kampf in Büchel. Zuerst definierte er den Begriff "ziviler Ungehorsam". Nach seinem Verständnis kann ein bewußter Regelverstoß - also auch ein strafrechtlich relevantes Verhalten - dadurch gerechtfertigt sein, daß ein Unrecht oder Rechtsverstöße vorliegen. Auch das Grundgesetz beschreibt ein Notwehrrecht in Artikel 20, Absatz 4, das es der Bevölkerung erlaubt, Widerstand gegen die Abschaffung der Demokratie zu leisten:
"Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist."

Bei Aktionen zivilen Ungehorsams muß laut Iskenius jeglicher Schaden als auch jegliche Gewalt gegen Menschen und Lebewesen vermieden werden. Solche Aktionen sollen in zugespitzter Form auf die Forderung hinweisen, das bestehende Unrecht zu beenden. Die AktivistInnen nehmen dabei strafrechtliche Konsequenzen bewußt in Kauf. In der Vergangenheit hat sich ziviler Ungehorsam - erinnert sei an die Aktionen Mahatma Gandhis - als adäquates politisches Mittel erwiesen.

Nach Artikel 25 des Grundgesetzes stehen die Regeln des Völkerrechts über den deutschen Gesetzen:
"Die allgemeinen Regeln des Völkerrechtes sind Bestandteil des Bundesrechtes. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes."

Dies bedeutet, daß die Ächtung von Atomwaffen durch den Internationalen Gerichtshofes in Den Haag im Jahr 1996 auch für Deutschland Gültigkeit besitzt. Hier greift dann § 34 des deutschen Strafgesetzbuches (StGB), in dem der "rechtfertigende Notstand" definiert ist:
"Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden."

Die Aktionen zivilen Ungehorsams in Büchel, an denen sich Iskenius zusammen mit vielen anderen Menschen seit fast 20 Jahren beteiligt, stützen sich auf diesen rechtfertigenden Notstand. 99 Menschen standen dennoch seit 1996 vor Gericht und wurden verurteilt. Davon sind bisher 18 Menschen zum Teil mehrmals ins Gefängnis gegangen.

Am Montag, 13. Mai, zwei Tage vor diesem Vortrag stand Iskenius selbst vor Gericht. Etliche Gerichtsverfahren auf der Ebene der Amtsgerichte - erste Instanz - kamen in den vergangenen Tagen zum Abschluß und fast alle Angeklagten wurden verurteilt. Bisher wurde die Argumentation in Bezug auf den rechtfertigenden Notstand von der Justiz abgelehnt. Mindestens 4, möglicher Weise 5 gehen noch in diesem Jahr im Berufung - vor dem zuständigen Landgericht Koblenz.

Iskenius erhofft sich eine Verfassungsklage mit der Fragestellung: Sind Aktionen zivilen Ungehorsams gerechtfertigt, wenn solch eklatantes Unrecht wie Völkerrechts- und Verfassungsverstöße von der Bundesregierung verübt werden? Bisher hat das Bundesverfassungsgericht 20 Verfassungsklagen zur Thematik Atomwaffen und ziviler Ungehorsam nicht angenommen. Iskenius rief deshalb die ZuhörerInnen des Vortrags zur Unterstützung auf.

Zwei der vom Bundesverfassungsgericht nicht angenommenen Klagen wurden als Klagebeschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eingereicht. Diese sind noch anhängig.

Am 2. Juni 2024 werden zwei Frauen, Susan Crane aus Kalifornien und Susan van der Hidjen aus Amsterdam ihre Haftstrafe wegen Aktionen zivilen Ungehorsams im Gefängnis Rohrbach bei Mainz antreten. Beide wurden zu Geldzahlungen verurteilt, die bei Nichteinwilligung in Gefängnisstrafen umgewandelt werden - im Falle von Susan Crane sind dies 229 Tage, im Falle von Susan van der Hidjen 110 Tage.

Susan Crane hatte das Gelände des Fliegerhorts Büchel betreten und ein Transparent gehalten. Sie erklärte: "Als US-Bürgerin fühle ich mich verantwortlich für die Atomwaffen, die mit meinen Steuergeldern hergestellt werden. Aus Überzeugung und Gewissensgründen habe ich gesagt, daß wir die Atomwaffen hier in den USA abrüsten müssen, und deshalb ist es sinnvoll, sich mit der internationalen Gemeinschaft der Friedensstifter gegen die in Europa stationierten US-Atomwaffen zu verbünden."

Zum Schluß seines Vortrags wies Iskenius auf die vielfältigen Unterstützungsmöglichkeiten hin:

  • An Mahnwachen teilnehmen
  • Termine verbreiten
  • Abgeordnete von den Protesten des Zivilen Ungehorsams informieren, auffordern, die angeklagten zu besuchen und an Prozessen teilnehmen
  • Spenden an den Rechtshilfefond
  • Unterstützer-Infrastruktur bereitstellen (z.B Fahrerdienste)
  • In Gefängnis schreiben
  • Mahnwachen vor dem Gefängnis

Hier nochmal unser Veranstaltungsplakat:

Veranstaltung mit Elu Iskenius, 14.05.24 - 520 x 735 Pixel - Grafik: Klaus Schramm - Creative-Commons-Lizenz Namensnennung Nicht-Kommerziell 3.0