Das Spektakel eines Streits auf der politischen Bühne der vergangenen Monate hat nahezu völlig verdeckt, daß das jetzt im Bundestag verabschiedete Gebäudeenergiegesetz - das sogenannte Heizungsgesetz - schon vor den mittlerweile vorgenommenen Veränderungen nicht etwa die Förderung erneuerbarer Energie im Sektor Hausheizung zum Ziel hat, sondern das exakte Gegenteil.
Angeblich zielt die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes darauf ab, durch einen schrittweisen Austausch von Öl- und Gasheizungen das Heizen in Deutschland "klimafreundlicher" zu machen. Tatsächlich jedoch wird vor allem der Einbau von elektrischen Wärmepumpen gefördert, die beim derzeitigen Stand der Technik und bei gerade einmal rund 50 Prozent erneuerbaren Energien bei der Stromerzeugung in Deutschland keineswegs klimaverträglich sind. Der ExpertInnen-Rat für Klimafragen hat in seinem "Prüfbericht 2023 für die Sektoren Gebäude und Verkehr" vom 22. August schon mal festgestellt, daß die Klimaziele für den Gebäudesektor mit den bisherigen und geplanten Maßnahmen nicht erreicht werden können.
Für das Gesetz stimmten 399 Abgeordnete, mit Nein 275 bei 54 Enthaltungen. Auch aus den Reihen der oppositionellen Parteien war keine substantielle Kritik an dieser Gesetzes-Novelle zu vernehmen. Ende September muß das Gesetz noch den Bundesrat passieren.
Der pseudo-grüne Wirtschafts- und "Klimaschutz"-Minister Robert Habeck versuchte schon bei der Aussprache im Bundestag, ökologisch orientierter Kritik entgegenzutreten - die im Bundestag gar nicht geäußert worden war: "Was man allerdings nicht durchgehen lassen sollte, ist, den Menschen Sand ins Auge zu streuen - zu sagen, wir machen Ziele, aber wir tun nichts dafür, daß diese Ziele erreicht werden." Tatsache ist allerdings, daß seit der vergangenen Bundestagswahl am 26. September 2021 weiter wie in der 16-jährigen Ära von Bundeskanzlerin Angela Merkel der Ausbau der erneuerbaren Energien behindert wird. Die Ampel-Regierung setzt die Politik in Richtung Klimakatastrophe linear fort. Und zugleich behauptet die Ampel-Regierung weiterhin, am Ziel des Klimaschutzes festzuhalten. Die Hälfte der Ampel-Regierungszeit ist nach zwei Jahren bereits verstrichen.
In den vergangenen Jahrzehnten lag der Stromverbrauch in Deutschland nahezu unverändert bei rund 600 Terawattstunden (TWh) pro Jahr. Dies ist nicht etwa die Folge einer politischen Weichenstellung, die eine Bundesregierung schließlich auch gegen die Profit-Interessen der Wirtschaft hätte durchsetzen müssen. Dieses "Null-Wachstum" beruht ausschließlich auf der bereits in den 1970er-Jahren korrekt vorhergesagten Entkoppelung von Energieverbrauch und Produktivitätssteigerung.
Bei allen wohldurchdachten Szenarien der Energie-Wende, die in den vergangenen Jahrzehnten publiziert wurden, war ein Aspekt grundlegend: Mit Hilfe von Energieeinsparung und mit einer Steigerung der Energie-Effizienz muß der Stromverbrauch in Deutschland von 600 TWh um rund ein Drittel auf 400 TWh gesenkt werden.
Es ist aber leicht vorherzusehen, daß infolge des nun verabschiedeten Gesetzes der Stromverbrauch in Deutschland stark ansteigen wird. Im März dieses Jahres veröffentlichen die vier Stromnetz-Betreiber Amprion, TransnetBW, 50Hertz und Tennet einen "ersten Entwurf des Netzentwicklungsplans 2037/2045". Darin ist zu lesen, daß sie einen Anstieg des jährliche Stromverbrauch in Deutschland bis 2045 auf über 1000 TWh pro Jahr prognostizieren. Weiter heißt es in diesem Text: "Zur Deckung rechnet der Plan mit einer Verfünffachung der installierten Leistung aus erneuerbaren Energien auf rund 700 Gigawatt im Jahr 2045."
Es ist jedoch abzusehen, daß die Ampel-Regierung den Ausbau der erneuerbaren Energien weiter sabotieren wird. Der Anstieg des Stromverbrauchs kann dann also nicht von einem entsprechend starken Zuwachs bei den erneuerbaren Energien gedeckt werden. Eine Verfünffachung bei den erneuerbaren Energien bis 2045 wäre selbst bei einer konsequenten Förderung durch die Regierung äußerst optimistisch. Von Jahr zu Jahr wird also nun der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung sinken. Kompensiert werden muß dies dann durch einen Anstieg bei der Verstromung von Kohle, Gas und Öl. Die Treibhausgas-Emissionen Deutschlands werden daher in den kommenden Jahren steigen und nicht sinken.
Fachleute weisen bei einer detaillierten Kritik des neuen Heizungsgesetzes darauf hin, daß strombasierten Systemen Vorrang eingeräumt wird. Sogar Stromdirektheizungen, die seit vielen Jahren glücklicher Weise de facto verboten waren, werden wieder zugelassen. Bei den elektrischen Wärmepumpen wurden die Effizienz-Anforderungen zum Teil deutlich abgesenkt, um für entsprechende Marktdurchdringung zu sorgen.
Für EnergieberaterInnen galt bislang der Grundsatz, daß vor einer Heizungssanierung oder einem Heizungsaustausch der Wärmebedarf des betreffenden Hauses als erstes drastisch gesenkt werden muß. Eine Reduktion des Wärmebedarfs wird jedoch mit dem neuen Heizungsgesetz nicht als Erfüllungsoption anerkannt. Auch die Eigen-Stromproduktion wird nicht als Erfüllungsoption anerkannt. Kraft-Wärme-Kopplung - etwa mit Blockheizkraftwerken - wird mit diesem Gesetz sabotiert. Der Einsatz von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien im Zuge eines EE-Ausbaus, um so nach und nach Erdgas bei Blockheizkraftwerken durch grünen Wasserstoff zu ersetzen, wird so blockiert. Auch alle anderen Arten der Energie-Effizienz und Energie-Einsparung bleiben beim neuen Heizungsgesetz außen vor.
All diese ökologisch sinnvollen Schritte werden daher in den kommenden Jahren bei den Investitions-Entscheidungen der HausbesitzerInnen hintenan gestellt. Auch diese geplanten Auswirkungen des Heizungsgesetzes sind eine Sabotage an der Energie-Wende.
Lediglich der Anschluß an ein Wärmenetz bietet die Möglichkeit, die nach dem Heizungsgesetz in den kommenden Jahren vorzunehmenden Investitionen zu umgehen. Dabei sind HausbesitzerInnen jedoch in aller Regel auf die konventionellen Stromversorgungs-Unternehmen angewiesen. Und diese werden aus Profitgründen nicht etwa auf ökologisch verträgliche Nahwärme-Netze setzen, sondern im Gegenteil in aller Regel auf Fernwärme-Netze. Diese sind energetisch ineffizient und daher klimaschädlich.
Für die unsinnige Ausweitung des Stromverbrauchs werden per Heizungsgesetz umfangreiche Fördermittel - bis zu 70 Prozent Förderquote bei 90.000 Euro je Wohnungseinheit - in Aussicht gestellt. Die offenkundig unzureichenden Fördersätze für Effizienz-Maßnahmen in Höhe von 15 Prozent beziehungsweise 30.000 Euro je Wohnungseinheit werden jedoch beibehalten.
Vor zwei Jahren hatte die Ampel-Koalition angekündigt, den Neubaustandard und die Anforderungen an Bauteile bei Bestands-Sanierungen anzuheben und das Fit-for-55-Paket der EU-Kommission zu unterstützen. Darin sind gesetzliche Mindeststandards für die Effizienz von Gebäuden vorgesehen. Angeblich hat auch dies die FDP nun verhindert.
Kommentar
Wer die Inszenierung des Streits auf der Berliner politischen Bühne für bare Münze nimmt, muß sich die Frage stellen: Wie kann eine kleine Partei wie die FDP den anderen beiden Koalitions-Partnern die Richtung der Politik aufzwingen? Ist dies überhaupt möglich? Über welche Machtmittel sollte die FDP auch verfügen, um eine anti-ökologische, gegen die Energie-Wende und gegen jeglichen Klimaschutz gerichtete Politik durchzusetzen? Statt an dieser Stelle vor einem unlösbaren Rätsel zu kapitulieren, ist eine andere Frage viel naheliegender: Sind die anderen beiden an der Ampel beteiligten Parteien glaubwürdig, wenn sie als ihre Ziele die Energie-Wende und den Klimaschutz verkünden? Oder handelt es sich dabei schlicht und einfach um Heuchelei? Sind die Ziele der drei Ampel-Parteien vielleicht tatsächlich deckungsgleich?