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Mittwoch, 23. November 2022

Noch mehr Atom-Müll ins
"Zwischen"-Lager Grafenrheinfeld?

Zerfressenes Atommüll-Faß aus dem 'Zwischen'-Lager des AKW Brunsbüttel- Foto: Justizministerium Kiel - gemeinfrei
Nach Angaben des Betreibers PreussenElektra (Nachfolge-Konzern der Atomkraft-Sparte von E.On) sollen demnächst vier Container mit Atom-Müll aus NRW, die aus dem 1994 stillgelegten AKW Würgassen stammen, ins sogenannte Zwischen-Lager des 2015 stillgelegten AKW Grafenrheinfeld gebracht werden. Das Schweinfurter Aktionsbündnis gegen Atomkraft reagierte mit einer scharfen Ablehnung dieses Vorhabens.

Das Schweinfurter Aktionsbündnis gegen Atomkraft (SWAB) lehnt die geplante Einlagerung externer schwach- und mittelradioaktiver Atom-Abfälle in das Grafenrheinfelder Atommüll-"Zwischen"-Lager BeHa ab. Laut Genehmigung dürfen 20 Prozent des bewilligten Inventars aus Fremdabfällen bestehen, das heißt es können 20 Prozent mehr dieses Atommülls eingelagert werden, als beim Betrieb des AKW Grafenrheinfeld zwischen 1982 und 2015 entstand. Der Bevölkerung und den betroffenen ArbeitnehmerInnen wird damit eine zusätzliche Strahlenbelastung zugemutet.

Der Atommüll soll vom AKW-Standort Würgassen kommen, das sich seit bald 30 Jahren im Rückbau befindet. Irritierend ist dabei, daß der Standort Würgassen über ein eigenes sogenanntes Zwischen-Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle verfügt. Das SWAB wirf daher die Fragen auf: "Weshalb wird der Atommüll nicht dort eingelagert? Weshalb soll er nicht dort verbleiben? Sollte es bereits voll sein?" Würde diese Vermutung zutreffen, wäre dies laut SWAB ein Hinweis auf eklatante Planungsfehler. Eine weitere Vermutung des SWAB geht in die Richtung, daß der Atom-Müll dem dort von der staatseigenen "Gesellschaft für Zwischen-Lagerung" (BGZ) geplanten sogenannten Logistik-Zentrum, einem Bereitstellungs-Lager für Atom-Müll zur Weiterleitung nach Schacht Konrad, im Wege ist und deshalb geräumt werden soll.

Da keine Konditionierungsanlagen an den einzelnen Atommüll-Entstehungsstandorten eingerichtet wurden, plant die BGZ offenbar ein zentrales Eingangs- oder Bereitstellungslager für die gesamte Menge an schwach- und mittelradioaktiven Abfällen, um diese zu konditionieren und zur endgültigen Langzeitverwahrung nach Schacht Konrad zu transportieren. Das ehemaligen Eisenerz-Bergwerk ist nach offiziellen Angaben frühestens im Jahr 2027 betriebsbereit. Schacht Konrad steht wegen großer Zweifel an seiner Eignung in heftiger Kritik.

Kritik gibt es auch am geplanten sogenannten Logistik-Zentrum (Siehe hierzu unseren Artikel v. 13.03.20). Dieses soll ebenfalls 2027 in Betrieb gehen. Laut einer Stellungnahme von BGZ-Sprecher Hendrik Kranert vom 18.11.22 ist die Planung des "Logistikzentrums" Würgassen derzeit um rund ein Jahr in Verzug. Ein TÜV-Gutachten belegt, daß ein solches Atom-Müll-Lager in dieser Dimension und Ausführung nicht zwingend notwendig ist. Eine endgültige Entscheidung des Bundes-"Umwelt"-Ministeriums steht noch aus. Möglicherweise wird es – wie von den KritikerInnen gefordert – ein transparentes Auswahlverfahren geben – was die Standort-Festlegung aufheben würde.

Aus Sicht des SWAB ist es dringend notwendig, die Gründe öffentlich darzustellen: Weshalb will PreussenElektra Atommüll von Würgassen nach Grafenrheinfeld transportieren und dort lagern?

Zum geplanten Transportweg gibt es keine genauen Angaben, im Bayerischen Rundfunk wurde auf zwei mögliche Varianten hingewiesen: Straßentransport per LkW bis zum AKW-Gelände oder auf der Schiene bis nach Gochsheim und dort für den Rest der Strecke Umverladung auf LkW.

Das erinnert an die gefährlichen und mit zusätzlicher Strahlenbelastung einhergehenden Atom-Verladungen am Gochsheimer Bahnhof – in unmittelbarer Nähe zur Wohnbevölkerung – gegen die sich die Gochsheimer Bürgerinitiative BIG jahrelang vehement gewehrt hat. Die Auseinandersetzung mit Betreibern und Behörden fand 2001 ein Ende – mit der Entscheidung der damaligen "rot-grünen" Bundesregierung, den anfallenden Atommüll in AKW-Standort-"Zwischen"-Lagern zu deponieren.

Das AKW Grafenrheinfeld befindet sich seit 2015 im Rückbau. Einen eigenen Gleis-Anschluß gibt es für das Gelände aber weiterhin nicht. Das SWAB stellt die Frage: "Soll es tatsächlich wieder zu unfallträchtigen, risikoreichen Umladungen von radioaktiv belastetem Material am Gochsheimer Bahnhofsgelände kommen?"

Die Genehmigung für das sogenannte Zwischen-Lager des 2015 stillgelegten AKW Grafenrheinfeld besagt, daß atomarer Fremdmüll "nur" für maximal 10 Jahre eingelagert werden darf. Das SWAB fragt: "...und dann?" Ein Beispiel: Aufgrund einer Klage von Atomkraft-GegnerInnen verwarf das Oberverwaltungsgericht Schleswig im Juni 2013 die Genehmigung für das sogenannte Atommüll-Zwischen-Lager am AKW Brunsbüttel. Das Urteil wurde im Januar 2015 vom Bundesverwaltungsgericht Leipzig höchstinstanzlich bestätigt. Der damals zuständige schleswig-holsteinische Minister Robert Habeck taufte das "Zwischen"-Lager in "Bereitstellungslager" um - ein Befähigungsnachweis für seine spätere Verwendung als Bundesminister. Reale Konsequenzen hat das Gerichtsurteil bis heute nicht.

Daher ist es aus Sicht der Atomkraft-GegnerInnen äußerst fraglich, ob der Atom-Müll nach Ablauf der zehn Jahre zurück nach Würgassen transportiert würde. Fraglich ist zudem, ob bis zu diesem Zeitpunkt das sogenannte Logistikzentrum in Würgassen existiert. Außerdem weist das SWAB darauf hin, daß die Befristung auf zehn Jahre per einfacher Genehmigung verlängert werden kann. Und: Sie zieht die Parallele, daß auch der im Jahr 2011 verkündete "Atomausstieg" - von führenden VerteterInnen aller Parteien in den vergangenen elf Jahren als "unumkehrbar" deklariert - "ganz aktuell augehebelt wurde, um die Laufzeitverlängerung für die drei AKW (Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland), die am 31.12.2022 vom Netz gehen sollten, durchzusetzen." Dies sei jetzt zwar zunächst mal befristet bis Mitte April 2023. Daß die Laufzeitverlängerung als "Streckbetrieb" bezeichnet werde, ändere aber nichts an den Fakten.

Das SWAB weist auf die Folgen zusätzlicher Strahlenbelastung hin:

„Wir sind immer ionisierender Strahlung ausgesetzt - die Rede ist von Hintergrundstrahlung, kosmischer Strahlung, "natürlicher" Strahlung – wobei in deren Messwerte auch die Strahlung aus dem Fall-Out der Atombombenabwürfe 1945 und den bis 1996 stattgefundenen Atombomben-Tests, aus dem Einsatz von Uran-Munition und aus den atomaren Unfällen der sogenannten zivilen Atomenergie-Nutzung mit einfliessen. 'Natürlich' ist das nicht. Doch der Begriff dient bestimmten Kreisen als Argument für 'normal' und 'unbedenklich'."

Allein die rund 2.100 Atombomben-Test hatten nach wissenschaftlich unstrittigen Untersuchungen mindestens 300.000 Todesfälle zur Folge.

Eine weit überwiegende Mehrheit von WissenschaftlerInnen ist heute der Ansicht, daß radioaktive Strahlung auch in geringen Dosen schädlich ist. Darauf weisen auch die AutorInnen einer öffentlichen Stellungnahme des BUND hin. Danach sind der Betrieb von Atomanlagen sowie der Umgang mit radioaktiven Stoffen (zum Beispiel beim Rückbau) mit gesundheitlichen Risiken verbunden – auch bei Einhaltung der aktuell geltenden Dosisgrenzwerte der Strahlenschutzverordnung. Auch unterhalb der Dosisgrenzwerte besteht das Risiko für später tödlich verlaufende Krebserkrankungen sowie vererbte DNA-Schäden bei Nachkommen.

In der Strahlenschutzverordnung ist das Minimierungsgebot für kontaminierte Stoffe festgehalten – daraus folgt: Atomtransporte jeder Art dürfen nur durchgeführt werden, wenn sie unvermeidbar sind. Auch unter Berücksichtigung des Unfallrisikos und der Gefahr von gezielten Angriffen.

Das SWAB fordert, die Dosisgrenzwerte für ArbeitnehmerInnen und Bevölkerung deutlich zu senken. Atommüll müsse an den Standorten konditioniert und gesichert zwischengelagert werden, bis es Lagerstätten für eine langfristige Verwahrung gibt. Aufgrund der engen Verknüpfung von "ziviler" und militärischer Nutzung der Atomenergie fordert das SWAB ein Ende der nuklearen "Auf"-Rüstung und den sofortigen Atomausstieg.