Über 50 Delegierte von Anti-Atom-Initiativen aus dem ganzen Bundesgebiet waren am 7. Oktober zur 23. Atommüll-Konferenz nach Göttingen gekommen. Eines der wichtigsten Themen waren die drohenden CASTOR-Transporte von Jülich nach Ahaus.
Aus öffentlich vorliegenden Stellungnahmen der "Verantwortlichen" für den hochgefährlichen Atommüll, der in 152 CASTOR-Behältern derzeit unter völlig unverantwortbaren Bedingungen in Jülich gelagert wird, der Jülicher Entsorgungsgesellschaft (JEN) und dem Atommüll-Bundesamt (BASE), ist zu schließen, daß dieser Atommüll schon in Kürze ins "Zwischen"-Lager Ahaus transportiert werden soll (siehe hierzu unsere Artikel vom 19.08.23 und vom 18.09.23). In den 152 CASTOR-Behältern befinden sich rund 300.000 hochradioaktive Brennelemente-Kugeln aus dem früheren Jülicher AVR-Versuchsreaktor. Bereits 2013 war die Aufbewahrungs-Genehmigung in Jülich abgelaufen. Seitdem wurden munter die verschiedensten Optionen diskutiert, was mit diesem Atom-Müll geschehen solle - ohne jegliche Konsequenz. Der Bau eines neuen Lagers wird so seit zehn Jahren verhindert. Das jetzige Jülicher Lager dürfte eigentlich gar nicht weiterbetrieben werden. Bereits seit 2014 gibt es eine Anordnung zur Räumung.
In einer gemeinsamen Entschließung forderten die TeilnehmerInnen der Atommüll-Konferenz von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen und von der Bundesregierung, daß in Jülich ein neues Atommüll-Lager errichtet wird, das auch einem Flugzeugabsturz und einem Terror-Angriff standhalten kann. Es sei "unverantwortlich", den Atommüll per LkW 178 Kilometer über die Autobahnen nach Ahaus zu transportieren, da das dortige "Zwischen"-Lager keine Sicherheit bietet. Außerdem endet dessen Genehmigung bereits im Jahr 2036. Hinzu kommt, daß die rund 300.000 Brennelemente-Kugeln in ihrem jetzigen Zustand nicht endlagerfähig sind. Sie müßten abgereichert und konditioniert werden. Da dies nicht in Ahaus stattfinden kann, müßten irgendwann also erneut 152 Transporte zurück nach Jülich oder einen anderen Ort mit den entsprechenden Einrichtungen durchgeführt werden.
Die TeilnehmerInnen der Atommüll-Konferenz riefen dazu auf, sich an den geplanten Auftakt-Aktionen am 15. Oktober entlang der Strecke von Jülich nach Ahaus zu beteiligen. Damit soll zugleich für die möglicherweise schon in Kürze nötigen CASTOR-Blockaden mobilisiert werden.
Außerdem war der problematische Zustand der insgesamt 16 "Zwischen"-Lager in Deutschland Thema bei der Atommüll-Konferenz. Am Beispiel des "Zwischen"-Lagers in Leese (Niedersachsen) mit insgesamt rund 5.000 Atommüll-Fässern wurde exemplarisch aufgezeigt, daß Probleme verdrängt, ausgesessen und ignoriert werden. Das Lager muß theoretisch bis 2030 geräumt sein, da der Pachtvertrag ausläuft. In den Hallen befinden sich Fässer in teilweise katastrophalem Zustand. Die Fässer sind zum Teil übereinandergestapelt und aus einzelnen Fässern in der unteren Ebene tritt radioaktive Flüssigkeit aus. Diese Flüssigkeit entspricht nicht dem deklarierten Inhalt. Manche sind aufgebläht und drohen in Bälde aufzuplatzen. Trotzdem gibt es keinen Plan, was mit diesem Atommüll geschehen soll.
Die TeilnehmerInnen der Atommüll-Konferenz forderten weiterhin die Stilllegung der Brennelementfabrik Lingen (Niedersachsen) und der Urananreicherungsanlage Gronau (Nordrhein-Westfalen). Diese beiden Nuklear-Anlagen von weltweiter Bedeutung besitzen nach wie vor eine unbefristete Betriebsgenehmigung. Neben einer ganzen Reihe weiterer Indizien zeigt dies, daß der Atomausstieg in Deutschland auf der Kippe steht (Siehe hierzu auch unseren Artikel v. 20.05.23).
In Gronau soll sogar noch mehr Uran im Rahmen der bestehenden Genehmigung angereichert werden. Und laut offizieller Planung werden in Lingen künftig auch Brennelemente für Atomkraftwerke russischer Bauart hergestellt - ermöglicht durch ein neues Joint-Venture des französischen Betreiber-Konzerns Framatome mit dem russischen Staatskonzern Rosatom.
Eine weitere Forderung der Atommüll-Konferenz an die Bundesregierung thematisiert die mangelhaften Sicherheitsanforderungen für eine tiefengeologische Lagerung des Atom-Mülls. Es sei eine Farce, wenn schwach- und mittelradioaktive Abfälle noch nach Anforderungen von 1983 behandelt werden. Obwohl die Strahlung gleich gefährlich ist, darf so aus einem Lager für schwach- und mittelradioaktiven Atom-Müll pro Jahr deutlich mehr Radioaktivität austreten als aus einem für hochradioaktive Abfälle. Das für die Lagerung von Atom-Müll vorgesehene, aber ungeeignete alte Bergwerk Schacht Konrad müsse aufgegeben und ein wissenschaftsbasiertes Standortauswahlverfahren unter echter Beteiligung der Öffentlichkeit für den bestmöglichen Standort auch für schwach- und mittelradioaktive Abfälle auf den Weg gebracht werden.
Die TeilnehmerInnen der Atommüll-Konferenz beschlossen darüber hinaus, die Position der Anti-Atom-Initiativen zur Lagerung hochradioaktiver Abfälle aus dem Jahr 2018 an die neuen Entwicklungen anzupassen und um weitere Forderungen zu ergänzen. Außerdem sollen bis zur nächsten Konferenz im Frühjahr 2024 die zu erwartenden Mengen der radioaktiven Abfälle ermittelt werden, die in den nächsten Jahren über den Akt der Freigabe aus dem Atomgesetz entlassen, auf Hausmülldeponien gelagert, verbrannt oder in den Wirtschaftskreislauf gegeben werden sollen.